Eine Schlagzeile der deutschen Wirtschaftszeitung «Handelsblatt» lautete im März: «Blase am Aktienmarkt?» Und die Analysten und Analystinnen von JP Morgen stellten fest: «Konzentration fast wie in der Dotcom-Blase.» Einigen Analystinnen und Beobachtern ist die aktuelle Entwicklung nicht (mehr) ganz geheuer. Ihre wichtigste Frage bündelt sich in der Schlagzeile «Droht jetzt ein Börsencrash?» Verstärkt wird das Unwohlsein durch die «Prognosen» von Superpessimisten, die wie Harry Dent, der Gründer von HS Dent, von einem «riesigen Crash» sprechen.

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Erst im Rückspiegel sichtbar

«Anlegerinnen und Anleger erkennen Blasen in der Regel leider erst, wenn sie geplatzt sind», sagt Karsten Junius, Leiter Economic & Strategy Research bei der Bank J. Safra Sarasin in Zürich. «Dies gilt meist auch für Zentralbanken, weswegen die Strategie des «Leaning against the wind» in den letzten Jahren unpopulärer geworden ist. Mit dem Begriff war gemeint, dass Zentralbanken durch Zinserhöhungen dazu beitragen könnten, langsam Luft aus einer sich bildenden Blase herauszulassen.»

Blasen sind laut Junius letztlich nichts anderes als überzogene Erwartungen, die mit steigenden Kursen einzelner Vermögensklassen oder Vermögenstiteln einhergehen. «Diejenigen Anlegenden, die aufgrund sektor- oder titelspezifischen Know-hows klar identifizieren können, dass die kollektiven Erwartungen unrealistisch sind, haben einen natürlichen Vorteil», so Junius. «Für die Masse der Anlegenden wird das allerdings nicht zutreffen.» Für ihn ist die Kreditentwicklung der verlässlichste Anhaltspunkt. «Nicht für die Existenz einer Blase – aber dafür, ob eine potenzielle Blase plötzlich und mit viel Getöse platzen könnte», so der Experte. «Dies liegt daran, dass kreditfinanzierte Investoren einen kürzeren Atem haben als andere, wenn die Gewinnentwicklung einer Investition enttäuscht. Haben viele Investoren und Investorinnen per Kredit investiert, kann es zu plötzlichen Liquiditätsproblemen bei einzelnen Vermögenstiteln und Vermögensklassen kommen, wenn diese Kredite nicht verlängert werden können.» Reto Loetscher-Odermatt, Leiter Research bei der Luzerner Kantonalbank (LUKB), sagt: «Eine Blase zu erkennen, ist äusserst schwierig. Ein Hinweis auf eine Blasenbildung in einem Markt oder bei einer Aktie sind in der Regel rasant oder exponentiell gestiegene Kurse. Diese gehen oftmals mit sehr hohen Erwartungen an das künftige Marktpotenzial und ans Gewinnwachstum einher.» Weitere Hinweise auf Blasen sind laut Loetscher-Odermatt: extrem hohe Bewertungskennzahlen, fantastische Zukunfts- und Wachstumserwartungen, die sich in den fundamentalen Daten noch nicht zeigen und angeblich erst später sichtbar werden. Hinzu kommen oft extrapolierte Wachstumserwartungen, die sich rational nicht rechtfertigen lassen.

880 Dollar kostete diese Woche eine Aktie der IT-Firma Nvidia. Der Kurs hat sich innerhalb von zwölf Monaten verdreifacht.

 

Diese möglicherweise überzogenen Erwartungen müssen sich laut Loetscher-Odermatt allerdings nicht zwingend in den Gewinnschätzungen zeigen. «Darum erreichen traditionelle Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis sehr hohe Werte», so Loetscher-Odermatt. «Oder anders gesagt: Der Aktienkurs entkoppelt sich von den fundamentalen Werten eines Unternehmens.» Zum Teil würden in solchen Situationen auch neue Kennzahlen entwickelt, um die Bewertung zu rechtfertigen. «Wir betrachten es jedoch als problematisch, wenn traditionelle und in der Praxis bewährte Kennzahlen durch neue ersetzt werden, nur um die aktuelle Bewertung oder das Potenzial einer Aktie zu rechtfertigen», erklärt Loetscher-Odermatt. In Fachpublikationen oder unter Fachspezialistinnen würden Themen, die zu einem Hype werden, oftmals schon seit längerem besprochen. «Kommen solche Themen in den reichweitenstarken Medien an, erhalten sie in der Regel zusätzliche Aufmerksamkeit und erlangen das Interesse einer breiteren Investorengemeinde», so Loetscher-Odermatt. «Dann kann sich eine Blase bilden, weil die Investoren fürchten, den nächsten Trend zu verpassen, und dann nicht mehr rational handeln, sondern unrealistischen Erwartungen hinterherrennen.»

Wenn man in einem Trend investiert ist, der schon sehr gut gelaufen ist, könnten sich Gewinnmitnahmen lohnen. Die realisierten Gewinne können laut Loetscher-Odermatt zur Diversifikation in verwandte Themen verwendet werden oder zur Investition in gänzlich neue Anlagechancen. «Ist man vom Thema überzeugt, kann man durchaus einen Teil der Investition weiterführen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass keine Klumpenrisiken entstehen und man sich nicht von der Gier leiten lässt, sondern rationale Investitionsentscheide trifft.»